DDF in der Presse Motiv

Kinder mit Typ-1-Diabetes:

Bestehendes Recht auf uneingeschränkte Teilhabe an Bildung umsetzen!

Erkrankt ein Kind an Diabetes, ist das Familienleben erst einmal auf den Kopf gestellt. Eine Vielzahl an lebenswichtigen Dingen gilt es plötzlich zu beachten und neu zu erlernen, denn Kinder mit Typ-1-Diabetes benötigen etwa bis zu ihrem 12. Lebensjahr Unterstützung im Management ihrer Therapie.

Das gilt für das Messen und Interpretieren der Glukosewerte, das Berechnen der Kohlenhydratmenge und der Insulindosis, das Insulinspritzen bzw. die Insulingabe und die Betreuung beim Schulsport und bei Ausflügen. Die Familien sind dadurch vermehrt psychischen, sozialen und finanziellen Belastungen ausgesetzt.

Betroffene Familien müssen oft für ihre Rechte kämpfen

Im Sommer sorgte der Fall der sechsjährigen Mina aus Nordrhein-Westfalen für Aufsehen. Bei dem Kind wurde, wenige Wochen vor Schulstart in die zweite Klasse, ein Typ-1-Diabetes diagnostiziert.

Die Eltern bemühten sich um eine Schulbegleitung. Zumindest für die erste Zeit sollte Mina die notwendige Unterstützung bei Therapie und Umgang mit dem Diabetes im Schulalltag erhalten.
Doch weder Krankenkasse noch Sozialamt erklärten sich zuständig und verwiesen auf die jeweils andere Organisation. Das ließen sich Minas Eltern nicht lange gefallen und wählten den Weg in die Öffentlichkeit.

Das WDR-Nachrichtenmagazin Lokalzeit (vom 04.08.2023) griff den Fall auf und recherchierte bei den Beteiligten. Kurz vor Ausstrahlung der Sendung kam die Zusage des Sozialamts für die Kostenübernahme für eine Begleitperson.

Die richtigen Argumente vorbringen


Dazu DDF-Sozialreferent Reiner Hub:

Sozialreferent DDF Reiner Hub

„Leider ist es richtig, dass sich betroffene Eltern erheblich gegen die ablehnenden Bescheide von Sozialamt und Krankenkasse wehren müssen. Insofern ist es auch wichtig, Eltern immer wieder darauf aufmerksam zu machen.
Nach den jüngsten Urteilen (Jahre 2019 bis 2022) sind die Krankenkassen im Rahmen der Behandlungssicherungspflege nach § 37 Absatz 2 SGB V verantwortlich. Die Gerichte begründen es damit, dass die Eingliederungshilfe nachrangig ist. Im Gegensatz dazu weist das Sozialministerium von Nordrhein-Westfallen in seiner aktuellen Handreichung zur Inklusion von Kindern mit Diabetes darauf hin, die Träger der Eingliederungshilfe müssten für die Koordinierung aufkommen. Die Rechtslage ist mehr als unklar. Kein Wunder, wenn niemand mehr durchblickt! Es bleibt wichtig, sich auf die Hinterbeine zu stellen und die richtigen Argumente vorzubringen. Aber auch bei den Ämtern muss Klarheit herrschen über die Bedürfnisse der an Diabetes erkrankten Kinder.“

Bundesweit einheitliche Förderung an Kitas und Schulen erforderlich


DDF-Vorstandsvorsitzender Dr. Klaus-Dieter Warz:

Portrait Dr. Warz, Vorstandsvorsitzender DDF

Die Diabetes-Selbsthilfe und Diabetes-Organisationen (Deutsche Diabetes Gesellschaft, DDG, und Arbeitsgemeinschaft für Pädiatrische Diabetologie, AGPD) fordern schon länger eine länderübergreifende, bundeseinheitliche Gesundheitsförderung und bessere Bildungsstruktur an Kitas und Schulen.

Immer noch werden Kinder mit Typ-1-Diabetes und ihre Familien aufgrund einer chronischen Erkrankung benachteiligt, obwohl dies gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, das Bundesteilhabegesetz (BTHG) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt. Fehlendes Personal und uneinheitliche Regelungen erschweren die Teilhabe zusätzlich. Oft dürfen Kinder mit Diabetes nicht an mehrtägigen Fahrten und Ausflügen teilnehmen. Wo die geeignete Unterstützungsleistung beantragt werden kann, ist für die Betroffenen weder einheitlich noch eindeutig geregelt. Stattdessen wird die Zuständigkeit zwischen Krankenkassen und Ämtern hin- und hergeschoben. Viele Eltern müssen für die Betreuung ihre Arbeitszeit reduzieren oder die Berufstätigkeit ganz aufgeben, mit entsprechenden finanziellen Einbußen.

„Das entscheidende Ziel ist, das bestehende Recht von Kindern mit Typ-1-Diabetes auf uneingeschränkte Teilhabe an Bildung umzusetzen“,

bringt DDF-Bundesvorsitzender Dr. Klaus-Dieter Warz die Forderungen auf den Punkt. Das hat die Diabetiker- Allianz (DA) in einem offenen Brief (11/2019) an die Bildungsministerin und den Präsidenten der Kultusministerkonferenz formuliert.

Die wichtigsten Punkte:

  • Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) benötigt schnellstmöglich ergänzende Umsetzungs-Vorschriften, damit die Unterstützung von Kindern mit Typ-1-Diabetes eindeutig und einheitlich in Kindertagesstätten und Schulen geregelt wird – trotz der Hoheit der Länder in diesem Bereich.
  • Jede Kindertagesstätte und jede Schule benötigt geschultes Personal und Integrationshilfen, um Kinder mit Typ-1-Diabetes bei Bedarf unterstützen zu können – wie es in manchen anderen Ländern bereits der Fall ist. Die Schulung dieses Personals muss vor Ort in den Kindertagesstätten und Schulen erfolgen, die Finanzierung dieser Schulungen muss sichergestellt sein.
  • Wenn Kinder mit Typ-1-Diabetes eine eigene, kompetente Integrationskraft benötigen, muss bundesweit einheitlich geregelt sein, welche Institution für den Antrag zuständig ist und wie die Finanzierung erfolgt.

„Als Interessenvertretung der Diabetesbetroffenen setzen wir uns weiter auf gesundheitspolitischer Ebene für die bundeseinheitliche Gesundheitsförderung und Teilhabe ein. Großartige Aufklärungsarbeit vor Ort leisten die Landesorganisationen der Diabetes-Selbsthilfe, die in Kitas und Schulen gehen und umfassend informieren. In konkreten Fällen stehen unseren Mitgliedern die ehrenamtlichen Diabetes-Guides und Sozialreferenten mit ihrer wertvollen Erfahrung und hilfreichen Tipps zur Seite. Das alles ist ein guter Grund für eine Mitgliedschaft in einer unserer Landesorganisationen oder im BdKJ (Bund diabetischer Kinder und Jugendlicher), gern aber auch bei unseren Partner-Organisationen in Bayern, Nordrhein-Westfalen oder Niedersachsen“, resümiert Dr. Warz.

Weiterführende Informationen

Typ-1-Diabetes bei Kindern und Jugendlichen

In Deutschland sind laut Justus-Liebig-Universität rund 32 000 Kinder und junge Menschen unter 18 Jahren an Typ-1-Diabetes erkrankt, es ist die häufigste Stoffwechsel-Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Bei Typ-1-Diabetes handelt es sich um eine Autoimmun-Erkrankung, in deren Folge die Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse kein Insulin mehr produzieren. Die Anzahl der Erstdiagnosen bei Kindern pro Jahr steigt seit der Corona-Pandemie auffällig an, der Zusammenhang zwischen einer durchlaufenen SARS-CoV-2-Infektion und dem Auftreten von Typ-1-Diabetes wird aktuell untersucht. (Wir berichteten darüber in der August-Ausgabe 2023 im Diabetes-Journal.)

DDF-Sozialreferentinnen und -referenten

Die Sozialreferentinnen und -referenten der DDF beantworten Fragen von Menschen mit Diabetes und deren Angehörigen zum sozialrechtlichen Alltag. Die Referenten geben wertvolle Informationen, die im Umgang mit Behörden, Krankenkassen und anderen Institutionen essenziell sein können.

DDF Diabetes Guides für Kinder und Jugendliche

Die Guides unterstützen Menschen mit Diabetes und schaffen eine Brücke zwischen der medizinischen Behandlung und dem Lebensalltag. Sie sind auf verschiedene Themengebiete spezialisiert, um jedem die bestmögliche Hilfe bieten zu können. Die Guides sind entweder digital oder persönlich erreichbar.

Kontaktportal für Sozialreferentinnen/-referenten und Diabetes Guides:
» www.deindiabetesguide.de

QUELLENANGABEN

Diabetes Journal, Ausgabe Oktober 2023