Offener Brief an Anja Karliczek, die Bundesministerin für Bildung und Forschung

Jetzt handeln: Recht von Kindern mit Typ-1-­Diabetes auf uneingeschränkte Teilhabe an Bildung umsetzen!

Noch immer werden Kinder mit Typ-1-Diabetes an KiTas oder Schulen abgewiesen oder können nicht an mehrtägigen Schulausflügen teilnehmen. Auf dem #KidsKon2.0 formulierten Eltern ihre Forderungen auf Umsetzung des bestehenden Rechts von Kindern mit Dia­betes auf uneingeschränkte Teilhabe an Bildung. In einem offenen Brief an die Bundesministerin für Bildung und Forschung sowie an die Kultusministerkonferenz wurden die Forderungen auf den Weg gebracht, eine entsprechende Petition an den Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags ist zusätzlich in Arbeit.

Sehr geehrte Frau Ministerin,
wir, die organisierte Selbsthilfe und Patientenvertretung von 7 bis 8 Millionen Diabetes-Betroffenen in Deutschland, machen uns große Sorgen um unsere Jüngsten:

  • In Deutschland leben etwa 18 500 Kinder unter 14 Jahren mit Typ-1-Dia­be­tes.
  • Kinder mit Typ-1-Diabetes benötigen etwa bis zu ihrem 12. Lebensjahr Unterstützung im Therapiemanagement, sowohl von den Eltern als auch in Kindertagesstätten und Schulen. Das gilt für das Messen und Interpretieren der Glukosewerte, die Berechnung der Kohlenhydrate beim Essen und der Insulindosis, das Insulinspritzen bzw. die Insulingabe und die Betreuung beim Schulsport und bei Ausflügen.
  • Kinder mit Diabetes können nicht gleichberechtigt am Bildungssystem teilhaben, sie sind häufiger vom Regelschulbesuch ausgeschlossen als gesunde Gleichaltrige – obwohl sie genauso belastbar und leistungsfähig sind wie Kinder ohne Diabetes.
  • Oft dürfen Kinder mit Diabetes nicht an mehrtägigen Fahrten und Ausflügen teilnehmen.
  • Sie sind in Kindertagesstätten und Schulen noch immer unzureichend betreut – entgegen dem Rechtsanspruch für Unterstützungsleistungen, der sich aus dem Bundesteilhabegesetz und der UN-Behindertenrechtskonvention ergibt. Eltern müssen entsprechende Anträge oft auf dem Rechtsweg durchsetzen.
  • Wo die geeignete Unterstützungsleistung beantragt werden kann, ist für die Betroffenen weder einheitlich noch eindeutig geregelt. Stattdessen wird die Zuständigkeit zwischen Krankenkassen und Ämtern hin- und hergeschoben.
  • Viele Eltern müssen für die Betreuung ihre Arbeitszeit reduzieren oder die Berufstätigkeit ganz aufgeben, mit entsprechenden finanziellen Einbußen.
  • Betroffene Familien sind vermehrt psychischen, sozialen und finanziellen Belastungen ausgesetzt.
  • Kinder mit Typ-1-Diabetes und ihre Familien werden aufgrund einer chronischen Erkrankung benachteiligt, obwohl dies gegen die UN-Behindertenrechtskonvention, das Bundesteilhabegesetz (BTHG) und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstößt.

Deshalb wenden wir uns heute direkt an Sie als verantwortliche Bundesministerin. Die Diabetiker Allianz (DA), die Vereinigung der Patientenvertreter der Diabetesbetroffenen, möchte gerne mit Ihnen in den Dialog treten und Lösungen für die Kinder mit Diabetes finden. Das entscheidende Ziel ist, das bestehende Recht von Kindern mit Typ-1-Diabetes auf uneingeschränkte Teilhabe an Bildung umzusetzen.
Dafür fordern wir:

  • Das Bundesteilhabegesetz (BTHG) benötigt schnellstmöglich ergänzende Umsetzungs-Vorschriften, damit die Unterstützung von Kindern mit Typ-1-Diabetes eindeutig und einheitlich in Kindertagesstätten und Schulen geregelt wird – trotz der Hoheit der Länder in diesem Bereich.
  • Jede Kindertagesstätte und jede Schule benötigt geschultes Personal und Integrationshilfen, um Kinder mit Typ-1-Diabetes bei Bedarf unterstützen zu können – wie es in manchen anderen Ländern bereits der Fall ist.
  • Die Schulung dieses Personals muss vor Ort in den Kindertagesstätten und Schulen erfolgen, die Finanzierung dieser Schulungen muss sichergestellt sein.
  • Auch Erzieher und Lehrer müssen eine Fortbildung zum Thema Diabetes erhalten, um Situationen richtig einschätzen zu können.
  • Wenn Kinder mit Typ-1-Diabetes eine eigene, kompetente Integrationskraft benötigen, muss bundesweit einheitlich geregelt sein, welche Institution für den Antrag zuständig ist und wie die Finanzierung erfolgt.
  • Damit die kognitive Entwicklung von Kindern mit Diabetes nicht negativ beeinflusst wird, darf es keine Kindertagesstätten und Schulen mehr geben, in denen Kindern mit schlechter Stoffwechsellage die nötige Therapie­unterstützung vorenthalten wird.
  • Wenn erforderlich, muss gewährleistet sein, dass ein angemessener Nachteilsausgleich gewährt wird.

Sehr geehrte Frau Karliczek, wir hoffen sehr auf eine Antwort. Wir stehen bereit zum Gedankenaustausch und zur Unterstützung bei einer schnellstmöglichen Implementierung ergänzender Umsetzungs-Vorschriften des Bundesteilhabegesetzes. Damit die Inklusion von Kindern mit Diabetes in Kindertagesstätten und Schulen gewährleistet und Teilhabe eine Selbstverständlichkeit ist.

Dr. Klaus-D. Warz, Vorstandsvorsitzender DDF für die Diabetiker Allianz (DA)